Use Case: 3D-Druck bei der Deutschen Bahn


Lesedauer: ca. 7 Minuten


Wie die Deutsche Bahn mit 3D-gedruckten Fertigungshilfsmitteln ihre Fahrzeugwartung optimiert

Das erwartet dich im Blog-Artikel:

Erfahre von Carsten Wolfgramm, Fertigungsingenieur und Experte für additive Fertigung bei der DB Fahrzeuginstandhaltung, und Susanne Tost, Marketing-Referentin im Deutsche Bahn Konzernprojekt 3D-Druck, wie die Deutsche Bahn die 3D-Drucklösungen von Formlabs einsetzt. Entdecke, wie sie Fertigungshilfsmittel herstellen, Arbeitsabläufe vereinfachen, Kosten senken und Züge schneller wieder auf die Schiene bringen.



Die Deutsche Bahn ist seit einigen Jahren ein bedeutender Kunde der IGO3D Business Solutions.

Als eines der weltweit größten Eisenbahnunternehmen bringt die Deutsche Bahn täglich über 10 Millionen Fahrgäste ans Ziel. Die Instandhaltung der umfangreichen Infrastruktur, die für den Transport von Millionen von Menschen notwendig ist, stellt eine gewaltige Herausforderung dar ? das Unternehmen betreibt deutschlandweit mehr als 50 Werke zur Wartung seiner Personen- und Güterzugflotten.

Im nördlichsten Werk der Tochtergesellschaft DB Fahrzeuginstandhaltung, das in Neumünster liegt, sind fast 750 Mitarbeitende beschäftigt. Sie kümmern sich um die Wartung, Reparatur sowie die vollständige Instandsetzung oder Modernisierung von Passagierwaggons, darunter ICs, ICEs und Regionalzüge. Dieses Werk gehört zudem zu den Standorten, die eine interne 3D-Druck-Werkstatt betreiben, um die Prozesse noch effizienter zu gestalten.

"Wir sind 2015 mit dem 3D-Druck gestartet. Seitdem haben wir schon über 100 000 Teile in der Deutschen Bahn umgesetzt, mit denen wir bereits Einspareffekte im Millionenbereich hebeln konnten."

- Susanne Tost, Referentin Marketing, Deutsche Bahn Konzernprojekt 3D-Druck

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Fertigungshilfen on demand vor Ort produzieren

Die auf Geschäfts- und Langstreckenreisen ausgelegten ICEs mit einer Reisegeschwindigkeit von bis zu 320 km/h sind das Flaggschiff der Personenbeförderung bei der Deutschen Bahn. Die Waggons der ersten Generation, des ICE 1, sind bereits seit über 30 Jahren im Einsatz und werden jetzt umfassend modernisiert ? das heißt, sie werden praktisch komplett entkernt, von Grund auf neu zusammengesetzt, mit modernen Funktionen ausgestattet und neu lackiert.

Für ein so großes Modernisierungsprojekt braucht es das enge Zusammenspiel mehrerer Werke und Abteilungen sowie zahlreicher Handwerksbereiche wie Lackierer, Schlosser und Elektriker. Das Werk in Neumünster dient als einer der Knotenpunkte für dieses landesweit vernetzte Projekt.

igo3d-blog-use-case-DB-Werk-neumuenster Das Werk Neumünster der DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH ist einer der Betriebe, die in das Großprojekt zur Modernisierung des ICE 1 involviert sind.

"Die Fertigungshilfsmittel sind essenziell wichtig, denn mit herkömmlichem Werkzeug, das es zu kaufen gibt, kommt man nicht überall heran", so Wolfgramm.

Im Zuge der Generalüberholung der einzelnen Komponenten und beim Wiederaufbau der Waggons lassen sich viele Arbeitsschritte einfacher gestalten, um Zeit zu sparen oder die Qualität und Konsistenz zu verbessern. Bei der Modernisierung von Dutzenden Waggons summieren sich die Vorteile dieser Hilfsmittel schnell.

"In enger Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden hier im Werk und auch mit anderen Werken entwickeln wir viele Hilfsmittel, um Piktogramme zu kleben, Striche zu ziehen, Markierungen zu setzen oder Bohrungen durchzuführen, ohne dass wir sie aufwendig ausmessen müssen. Mittels der 3D-Drucktechnologie kann man heute tolle Schablonen herstellen, die das Arbeiten erleichtern", erzählt Wolfgramm.

Traditionell wurden solche Fertigungshilfsmittel durch Sägen, Schleifen und Fräsen von Holz in der Tischlerei gefertigt oder, wenn Metallteile benötigt wurden, mit konventionellen Metallbearbeitungsgeräten hergestellt. Diese Lösungen sind jedoch zeitaufwendiger, arbeitsintensiver und teurer.

"Die additive Fertigung bietet da natürlich ungeahnte Möglichkeiten, sich schnell einer Urform anzunähern und sie dann auch schnell zu verfeinern. Wir haben die Datei in digitaler Form in der CAD-Software abgelegt und können dort schnell justieren, wenn etwas nicht passt oder noch verändert werden muss. Muss ein Design aktualisiert, vergrößert, verkleinert werden oder so etwas? Da ist 3D-Druck, und gerade der Pulverdruck, unschlagbar."

- Carsten Wolfgramm, Fertigungsingenieur und Experte für additive Fertigung, Deutsche Bahn

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igo3d-blog-use-case-DB-werkstatt Die 3D-Druck-Werkstatt in Neumünster umfasst zehn verschiedene 3D-Drucker, einschließlich zwei SLS-Drucker der Fuse-Serie.

Das Team der Deutschen Bahn hat in enger Kooperation mit dem Formlabs-Platin-Partner IGO3D an der strategischen Entwicklung der additiven Fertigung gearbeitet, um die passenden Lösungen für das Unternehmen und die verschiedenen Anwendungen zu ermitteln.

In der 3D-Druck-Werkstatt in Neumünster kommen über zehn verschiedene 3D-Drucker mit einer breiten Palette an Technologien zum Einsatz. Dazu gehören zwei SLS-Drucker der Fuse-Serie – einer für das vielseitige und starke Material Nylon 12 Powder, der andere für das flexible Druckmaterial TPU 90A Powder – sowie zwei Kunstharz-3D-Drucker: der großformatige Form 3L und der Form 3. Abhängig von der Anfrage und den Anforderungen des benötigten Bauteils entscheiden Wolfgramm und sein Team, welches Druckverfahren und welches Material am besten geeignet sind.

"Die Maschinen von Formlabs verwenden wir, weil das Preis-Leistungs-Verhältnis für uns unschlagbar ist. Die Zuverlässigkeit ist gegeben und die Maschinen, gerade die SLS-Drucker, sind wirklich Plug-and-Play. Das erleichtert die Arbeit sehr, wenn wir iterationsschleifende Teile drucken. Die Geräte laufen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, das ganze Jahr über."

- Carsten Wolfgramm, Fertigungsingenieur und Experte für additive Fertigung, Deutsche Bahn

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Eine 3D-Druck-Werkstatt vor Ort zu haben, erlaubt es dem Team, schnell und flexibel auf Anfragen zu reagieren.
"Wir sind nicht auf lange Lieferzeiten und Lieferketten angewiesen, wie wenn wir die Aufträge auslagern würden", erklärt Wolfgramm.

"Mit dem 3D-Druck sind wir hier vor Ort in der Lage, sehr schnell auf die tagesaktuellen Bedürfnisse in den Werken zu reagieren. Wir können Designs für verschiedene Anwendungen im Vorfeld konstruieren, sie direkt vor Ort umsetzen und dann auch in das Werk übertragen. Das bietet uns keine andere Fertigungsmöglichkeit", fügt Tost hinzu.

Anwendungen für additive Fertigung in Neumünster:

Maskierungshilfsmittel für das Lackieren

Bei der Überholung der Waggons des ICE 1 werden alle Kunststoffbauteile demontiert, geschliffen, aufgefüllt und neu lackiert. Ein Beispiel ist ein großes, gebogenes Kunststoffpaneel, das hinter den Türgriffen der Waggons montiert ist. Jedes dieser Paneele benötigt eine neue zweifarbige Lackierung, um die dunklen Bereiche langfristig vor Schmutz und Gebrauchsspuren zu schützen.

Das Lackieren gekrümmter Flächen und komplizierter Farbschemata erfordert in der Regel ein exaktes Abmessen mit Zollstock und Messschieber, damit die Positionen genau markiert und Oberflächen präzise abgeklebt werden können, um ein einheitliches Endergebnis zu erzielen.

igo3d-blog-use-case-DB-maskieren-min Das Maskieren organischer Formen umfasst üblicherweise zeitintensive manuelle Arbeiten.

igo3d-blog-use-case-DB-maskierungshilfen 3D-gedruckte Maskierungshilfsmittel können den Zeitaufwand für die Abmessung drastisch reduzieren.

"Mit 3D-Druck können wir ganz einfach eine Schablone entwickeln. Das machen wir einmalig und können sie dann vielfältig auch an anderen Werken und Standorten einsetzen. Wir haben Beispiele, wo wir 30 Minuten Lackierarbeit auf zwei Minuten reduzieren konnten", berichtet Tost.

Verglichen mit konventionellen Verfahren bietet der 3D-Druck größere Gestaltungsfreiheit bei der Entwicklung komplexer Hilfsmittel, die auf bestimmte Aufträge zugeschnitten sind.
"Die additive Fertigung, gerade im SLS-Verfahren, erlaubt komplexe Geometrien wie Radien und kleine Ausbuchtungen", erklärt Wolfgramm.CTA Form 4 Webinar

Kratzschutz für Gepäckablagen

Bei der Demontage der Waggons werden auch die Gepäckablagen entnommen. Nachdem die Wände neu gestrichen und foliert wurden, müssen diese Ablagen wieder angebracht werden. Da die Gepäckablagen sperrig und schwer sind und sich zwischen ihnen und der Wand ein schmaler Spalt befindet, brauchte das Team ein biegsames Material, das als Kratzschutz und Stoßdämpfer dient. Das DB-Team entwickelte eine maßgefertigte Schutzverkleidung und druckte diese auf dem Fuse 1+ 30W aus dem flexiblen TPU 90A Powder.

igo3d-blog-use-case-DB-kratz-stossschutz Das Team verwendet für den Kratz- und Stoßschutz ein flexibles Material, nämlich TPU 90A Powder.

igo3d-blog-use-case-DB-sls-schutz Der SLS-3D-Druck ermöglicht ein schmales Design, das zwischen die Gepäckablage und die Wand passt.

Prototyp der Abdeckung für eine Kabelführung

Da die Waggons des ICE 1 vor über 30 Jahren produziert wurden, existieren einige Komponenten heute nicht mehr. Bei der Instandsetzung stellte das Team fest, dass viele der Abdeckungskappen, die zum Schutz der Kabelführung unter den Sitzen dienen, beschädigt oder fehlten.

igo3d-blog-use-case-DB-Werk-abdeckungskappen Viele der Abdeckungskappen, die zum Schutz der Kabelführung für die Steckdosen in den Waggons des ICE 1 dienen, waren nicht mehr vorhanden.

igo3d-blog-use-case-DB-reverse-engineering Das DB-Team ermittelte das Design mithilfe von Reverse Engineering und setzte Prototypen aus dem SLS-3D-Drucker ein, um die Passung zu testen und sich an die tatsächlichen Abmessungen anzunähern.

"Die Bauteile wurden von der DB AG nachkonstruiert, und man hat uns gebeten, mit SLS-3D-Druck und Nylon 12 Powder Passmuster zu drucken. Schon bei der zweiten Version passte es perfekt. Die Möglichkeiten mit dem SLS-Druck sind erstklassig. Die Passgenauigkeit, die Schnelligkeit und das Material sind fest genug, sodass wir es wirklich ausprobieren können", urteilt Wolfgramm.

Halterung für einen Handscanner

Fertigungshilfen erleichtern auch die täglichen Aufgaben der Mitarbeitenden. Die Materialwirtschafts-Mitarbeitenden von DB Fernverkehr verwenden Handscanner, um Materialien zu identifizieren und zu verwalten. Diese mussten sie bisher in der Hand tragen und jedes Mal ablegen, wenn sie beide Hände benötigten.

iigo3d-blog-use-case-DB-handscanner Die Angestellten der Materialwirtschaft brauchten eine Lösung zur Befestigung ihrer Handscanner, damit sie sie stets bei sich haben können, aber dennoch beide Hände frei behalten.

igo3d-blog-use-case-DB-halterungen Das Team entwickelte drei verschiedene Halterungen, die an einer Tasche, einem Gürtel oder einem Shadow Board befestigt werden können.

"Sie haben angefragt: Kann man nicht eine Halterung für diesen Handscanner entwerfen, sodass wir ihn immer bei uns haben? Letztendlich haben wir drei verschiedene Halterungen entwickelt, die man an eine Tasche, einen Gürtel oder ein Shadow Board heften kann. Das SLS-Verfahren ist einfach, weil es passgenau druckt und ich keine großen Stützstrukturen entfernen muss. Ich muss also nicht viel nachbearbeiten, außer zu entpulvern und zu strahlen", erzählt Wolfgramm.

Die Fahrzeugwartung für die Zukunft digitalisieren

"Die additive Fertigung ist nicht mehr wegzudenken. Sie ermöglicht komplexe Geometrien, die man mit konventionellen Maschinen nie umsetzen konnte, und macht es möglich, Hilfsmittel einfach herzustellen und zu vervielfältigen, ohne dass hohe Mehrkosten entstehen. Einmal digitalisiert, kann man so ein Hilfsmittel oder Bauteil weltweit ausdrucken", erklärt Wolfgramm.

Das Ziel ist, mehr Ersatzteile für die DB-Flotte mittels 3D-Druck zu fertigen. Doch beim Zugverkehr sind die Sicherheitsbestimmungen genauso streng wie in der Luftfahrt. Diese strikten Regelungen lassen sich nach heutigem Stand nur mit den industriellen FDM-Druckern des Standorts einhalten. Die Deutsche Bahn arbeitet mit Formlabs und anderen Partnern zusammen, um Arbeitsabläufe, Prozesse und Materialien zu entwickeln, die in Zukunft die nötigen Zertifizierungen erhalten können. "Unser Ziel ist, bis 2030 zehn Prozent aller Ersatzteile in der Fahrzeuginstandhaltung zu digitalisieren. So könnten wir Teile bei Bedarf innerhalb kurzer Zeit nachfertigen, schnelle Auslieferung gewährleisten und gleichzeitig umweltfreundlicher agieren", erklärt Wolfgramm.



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